DIE ANOTHER DAY


RE : POST 04

Mit "Die Another Day"/"Stirb an einem anderen Tag" ist im Herbst 2002 ein neues James-Bond-Abenteuer angelaufen, welches konservativen Männern, und Frauen, welche sich nicht als Feministinnen (igitt!) beschimpfen lassen wollen, nicht unbedingt gefallen mag: James Bond ist endlich eine FRAU, nämlich Halle Berry; und Titeldarsteller Pierce Brosnan gerät als James Bond erstmals an seine körperlichen und mentalen Grenzen. „Dies darf nicht sein!“, werden große Teile der wertkonservativen James-Bond-Fan-Gemeinde aufschreien, was an dieser Stelle aber ignoriert werden soll, um stattdessen auf die für James-Bond-Verhältnisse geradezu revolutionäre Charakterzeichnung der Figuren einzugehen.

Betrachten wir zunächst den Protagonisten: James Bond wird zu Beginn des Films in Nord-Korea interniert. Während Bonds Kopf in Gegenwart einer koreanischen Foltermeisterin in einem eiswassergefüllten Eimer verschwindet, beginnt der eigentliche, von Madonnas Song Die Another Day untermalte Vorspann, bei dem sich aus dem Eiswasser schemenhafte Frauenfiguren aus Eis und Feuer bilden, ganz „retro“ mit Bezug auf die 60er-Jahre-James-Bond-Streifen. Im Hintergrund dieser animierten Figuren sieht man immer wieder den bedauernswerten Bond, wie er auf brutale Weise geprügelt und gefoltert wird. Dieses als atmosphärische Einleitung in den aktuellen Film des Helden zu sehen, wirkt geradezu bedrückend.

In den folgenden Szenen begegnen wir Bond nach 14monatiger Haft, langhaarig und -bärtig, in zerschliessenem T-Shirt, schlechtester körperlicher Verfassung und in Erwartung der nahenden Exekution. Da der Film aber weitergehen muss, wird Bond gegen einen feindlichen Agenten an den „Westen“ ausgetauscht (es ist nicht einmal daran zu denken, dass Bond sich diesmal selbst befreit). Der ihn empfangende amerikanische Agent wird zur hämischen Bemerkung veranlasst, dass der Held auch schon besser ausgesehen habe. Man sollte nun erwarten, dass Bonds Heimkehr freudig erwartet werde, aber auch das ist nicht der Fall. „M“, seine Chefin, von der man mütterliche Sorge erwartet, artikuliert nichts dergleichen, stattdessen eröffnet sie Bond, dass dieser eigentlich nicht mehr zu gebrauchen sei, da er seine Mission nicht zu Ende gebracht habe, und niemand wissen könne, wieviel Informationen er unter Drogen und Folter preisgegeben habe.

Bond wird also zu Beginn des Films nicht nur sämtlicher Kompetenzen, sondern in jeder Hinsicht seiner Stärke und Macht beraubt. Auch in späteren Sequenzen des Films (Bond ist wieder frisch rasiert und hat im großen und ganzen zur gewohnten Omni-Potenz zurückgefunden) wird mit dem Protagonisten nicht gerade zimperlich umgegangen; sein Widersacher, Hauptschurke Gustav Graves (Toby Stephens), rühmt sich beispielsweise, die Schwächen anderer Menschen sofort zu durchschauen, und Bonds Schwäche seien eben Frauen; zu früheren Zeiten stand jedoch gerade das „Womanizing“ Bonds für männliche Stärke und Omnipotenz. Graves, ursprünglich ein koreanischer Generals-Sohn, der sich mittels einer Gen-Therapie eine neue Identität verschafft hat, erwähnt, dass er eben diese nach Bonds Vorbild gestaltet habe: „... diese Prahlerei, die groben Sprüche ...“. Der klassische Bond-Charakter wird hier durchweg in Frage gestellt und kann nicht mehr wirklich beeindrucken, woran auch die wie immer viel zu langen und unnötig aufwendigen Actionszenen und Verfolgungsjagden nichts ändern können. Bei Pierce Brosnans Bond muss man sich nicht mehr über reaktionäres Machotum ärgern, da es sich selbst überlebt und teilweise schon innerhalb des Films als Karikatur markiert wird, etwa wenn es die Fechtmeisterin eines mondänen Londoner Fechtclubs (Kurzauftritt: Madonna) dankend ablehnt, dem Zweikampf zwischen Bond und Graves beizuwohnen, da sie „keine Lust auf Machospielchen“ habe.

Die offensichtliche anfängliche Schwäche des Protagonisten gibt dem Bond-Charakter eine überraschend neue Qualität; die Bondfigur zeigt „menschliche“ Züge und wird dadurch geradezu sympathisch. Der Glamour, ein charakteristisches und schönes Element der Bond-Filme, scheint dahin zu sein; aber muss Glamour tatsächlich immer mit Machotum verbunden sein?

Für den Glamour sorgen im aktuellen James-Bond, wie früher schon, die Frauen. Es ist dies jedoch kein ausschließlich dekorativer Glamour, der durch hübsche, aber passive Frauen repräsentiert würde; dieser Glamour zeichnet sich durch Schönheit, jedoch vor allem durch Stärke und Gelassenheit bis hin zur Skrupellosigkeit aus. Jinx (Halle Berry) verweist in ihrem glamourösen Anfangsauftritt auf den allerersten James-Bond-Film Dr. No; in Zeitlupe und angetan mit dem Bikini, den schon Ursula Andress in besagtem Film trug, entsteigt sie an einem kubanischen Sandstrand den Meeresfluten. Mit dieser Szene verbreitet sie absoluten Glamour und nimmt diesen gleichzeitig ironisch auf den Arm (Vgl. den Vorspann des Remakes von "Charlies Angels" (2001), wenn Cameron Diaz, Lucy Liu und Drew Barrymore in Zeitlupe ihre Haarpracht wallen lassen). Von ihrer Vorgängerin von 1963 hebt sich Jinx außerdem durch äußerst ,cooles‘ und in jeder Hinsicht zielsicheres Auftreten ab. Sie ist diejenige, die spontan ihrem Begehren nachgeht, die Initiative ergreift und Bond geradezu ,ins Bett zerrt‘, wozu dieser sich schnell überreden lässt; jedoch muss er sich dieses Mal mit dem passiven Part zufriedengeben.

Miranda Frost (Rosamund Pike), die Komplizin Graves’, ist, ganz sprechender Name, die kühle Blonde, die Bonds Annäherungsversuche schon abwehrt, ehe dieser überhaupt daran denken kann; auch wird ein intimes Verhältnis mit Fechtlehrerin Madonna impliziert; deren „Lesbisch-Sein“ wird lediglich durch begehrlichen Blickkontakt und Bemerkungen wie:„ ... Ist sie nicht entzückend?“ angedeutet. Mehr Spielraum bietet der Cameo-Auftritt Madonnas vor dem Hintergrund einer 100%igen Mainstream-Produktion dann doch nicht. In Anbetracht der zahlreichen sexuell vieldeutigen Videos der Popkünstlerin könnte man mutmaßen, die lesbische Komponente ihrer Rolle sei ihre eigene Idee gewesen. Frosts Charakter wiederum verweist schon durch den Namen auf das traditionelle Bild der ,kalten‘ und männerfeindlichen Frau (was absurderweise lange Zeit auch mit „Lesbe“ assoziiert wurde und noch immer wird); wenn Frost den Protagonisten später doch verführt, dann lediglich, um seine Schwäche für Frauen auszunutzen und ihn zu hintergehen: Sie stielt ihm den Revolver, was man als weiteren Potenzverlust deuten könnte.

Im Showdown liefern sich Frost und Jinx einen dramatischen Zweikampf über den Wolken, welchen Jinx für sich entscheidet, indem sie Frost ein Messer in die Brust stößt. Sie übersteht den Zweikampf sichtlich unangestrengter als ihr Kollege Bond (welcher sich zur gleichen Zeit mit dem Schurken Graves im tödlichen Clinch befindet) und kommentiert diese wie auch andere lebensbedrohliche Situationen mit geradezu zynischen Scherzen. In ihrer Souveränität und Skrupellosigkeit gleicht sie dem Urbild eines James Bond, während der eigentliche Protagonist mittlerweile manchmal reale Gefühle zeigen darf, etwa wenn er Jinx vor dem Ertrinkungs- und Kältetod rettet.

Jinx alias Halle Berry ist in diesem Film die eigentliche James-Bond-Figur, indem dieser Charakter alle ursprünglichen Bond-Charakterzüge übernimmt, während der Protagonist Mühe hat, seinen ,Status‘ zu halten; die einzige ihm verbleibende beeindruckende Eigenschaft ist sein beacht-liches Durchhaltevermögen.

Wie schon erwähnt, wurde schon in früheren Bond-Filmen versucht, der Hauptfigur etwas Psychologie und Emontionalität einzuhauchen, was jedoch beim Publikum selten ankam. Der aktuelle Film treibt die Demontierung der omnipotenten Männlichkeit (für James-Bond-Verhältnisse) sehr stark voran; maßgeblich sind dabei die Frauenrollen, welche sogenannte ,männliche‘ Charakteristika okkupieren und dadurch an Stärke und Präsenz zulegen. Es ist offenbar doch nicht mehr möglich, eine ungebrochene Darstellung von ,männlicher‘ Stärke und ,weiblicher‘ Passivität zu zeigen, und so zeigt selbst das Flaggschiff des reaktionären „Machotums“ mittlerweile zahlreiche Risse, in denen sich (stets innerhalb des Mainstreams) subversive Elemente ansiedeln können. Es ist anzunehmen, dass die Rezeption von Die Another Day sehr heterogen ausfallen wird, doch bietet möglicherweise gerade die kontroverse „Diskussion“ eines Mainstream-Produkts das Potential für Veränderungen. Wenn selbst James Bond und die Bond Girls sich verändern, scheint dies ein hoffnungsvoller Hinweis darauf zu sein, dass die bestehenden Geschlechterverhältnisse veränderbar sind.

aus: a bond is a bond is a bond
in: construction_area_ahead · Geschlechterkonstruktionen und ihre Reflektion in Kunst und Popkultur · Diplomarbeit 2003

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