Aus der Deckung in der U-Bahn
Ende Januar 2013 in der U-Bahn einer mittleren deutschen Großstadt. In den Medien brodelt die „Debatte Alltagssexismus“, irreführenderweise auch als Brüderle-Debatte bekannt. Wir steigen in die U6 nach Dingsheim, setzen uns an einen Fensterplatz und zücken zwei Artikel, die wir uns extra aus dem Internet ausgedruckt haben, weil wir sie noch mal sorgfältig lesen wollen (Es sind dies: „Prüder in Waffen“ von Claudius Seidl (FAZ), sowie „Das Alpha-Mädchen kommt aus der Deckung“ von Katja Kullmann (Deutschlandradio Kultur).
Wir lesen also, und streichen uns den einen oder anderen Satz an. An der übernächsten Station setzt sich ein männlicher Fahrgast neben uns. Automatisch haben wir den Reflex, das, was wir da lesen, halb zu verdecken; weil, wir wollen ja niemanden erschrecken, oder scheel angesehen werden („Ihhh, Emanze!“). Aber dann fällt uns rechtzeitig ein, dass dies ja nun total blöde wäre. Genau darum geht es ja: aus der Deckung zu gehen. Und so lesen wir "ganz normal“ weiter; der Fahrgast äugt auch tatsächlich herüber, um zu sehen, was wir lesen. So, wie wir es umgekehrt auch täten. Aus Neugierde eben. Ob er Brüderles Konterfei auf dem einen Artikel erkennt (es ist schwarz-weiß); oder das FAZ-Logo? Wir können nur spekulieren: vielleicht, vielleicht auch nicht. Möglich wäre es. In den letzten Tagen ist das Thema ja sehr präsent, da sind die Menschen möglicherweise schon sensibilisiert.
Jedenfall: Als unsere Haltestelle naht, stecken wir die Artikel schon mal zurück in die Tasche. Die U-Bahn hält. Noch ehe wir überhaupt Anstalten machen, aufzustehen, steht unser Sitznachbar zügig auf. Um uns vorbeizulassen. Also, von alleine. Ohne dass wir sagen müssten: „Äh, Tschuldigung ...“. Er steht AUF, und dreht sich nicht bloß zur Seite, wie die meisten (was in der Regel reicht, um einigermaßen bequem aussteigen zu können). Wir bedanken uns höflich, gehen an ihm vorbei und steigen aus.
Und denken unwillkürlich: dass der Fahrgast vielleicht gesehen hat, was wir da lesen. Was das Thema war. Und dass er dachte: „Oha! Bei so einer heißt's aufpassen!“. Der Gedanke drängte sich uns auf; wir konnten nichts dafür: wir mussten Grinsen.
Vielleicht war es ja auch nicht so. Vielleicht ist dieser Mensch immer so höflich und aufmerksam. Was natürlich noch besser wäre. Aber der andere Gedanke hätte uns auch gefallen *zwinker* Vielleicht hat das was mit diesem Machtgefühl zu tun, von dem in Katja Kullmanns Artikel in so positiver Weise die Rede ist. Dieses Machtgefühl hätten wir halt gerne auch mal. Und dafür müssen wir wohl öfter raus aus der Deckung.
P.S. "wir" ist in diesem Falle überhaupt nicht analytisch oder reflektiert; sondern eine Art literarisches Ich. Ein Majestatis Pluralis. Eine kleine Selbstermächtigung.
Wir lesen also, und streichen uns den einen oder anderen Satz an. An der übernächsten Station setzt sich ein männlicher Fahrgast neben uns. Automatisch haben wir den Reflex, das, was wir da lesen, halb zu verdecken; weil, wir wollen ja niemanden erschrecken, oder scheel angesehen werden („Ihhh, Emanze!“). Aber dann fällt uns rechtzeitig ein, dass dies ja nun total blöde wäre. Genau darum geht es ja: aus der Deckung zu gehen. Und so lesen wir "ganz normal“ weiter; der Fahrgast äugt auch tatsächlich herüber, um zu sehen, was wir lesen. So, wie wir es umgekehrt auch täten. Aus Neugierde eben. Ob er Brüderles Konterfei auf dem einen Artikel erkennt (es ist schwarz-weiß); oder das FAZ-Logo? Wir können nur spekulieren: vielleicht, vielleicht auch nicht. Möglich wäre es. In den letzten Tagen ist das Thema ja sehr präsent, da sind die Menschen möglicherweise schon sensibilisiert.
Jedenfall: Als unsere Haltestelle naht, stecken wir die Artikel schon mal zurück in die Tasche. Die U-Bahn hält. Noch ehe wir überhaupt Anstalten machen, aufzustehen, steht unser Sitznachbar zügig auf. Um uns vorbeizulassen. Also, von alleine. Ohne dass wir sagen müssten: „Äh, Tschuldigung ...“. Er steht AUF, und dreht sich nicht bloß zur Seite, wie die meisten (was in der Regel reicht, um einigermaßen bequem aussteigen zu können). Wir bedanken uns höflich, gehen an ihm vorbei und steigen aus.
Und denken unwillkürlich: dass der Fahrgast vielleicht gesehen hat, was wir da lesen. Was das Thema war. Und dass er dachte: „Oha! Bei so einer heißt's aufpassen!“. Der Gedanke drängte sich uns auf; wir konnten nichts dafür: wir mussten Grinsen.
Vielleicht war es ja auch nicht so. Vielleicht ist dieser Mensch immer so höflich und aufmerksam. Was natürlich noch besser wäre. Aber der andere Gedanke hätte uns auch gefallen *zwinker* Vielleicht hat das was mit diesem Machtgefühl zu tun, von dem in Katja Kullmanns Artikel in so positiver Weise die Rede ist. Dieses Machtgefühl hätten wir halt gerne auch mal. Und dafür müssen wir wohl öfter raus aus der Deckung.
P.S. "wir" ist in diesem Falle überhaupt nicht analytisch oder reflektiert; sondern eine Art literarisches Ich. Ein Majestatis Pluralis. Eine kleine Selbstermächtigung.
P:S: Ja. Gemeinerweise haben wir den Artikel von Claudius Seidl nicht verlinkt. Weil wir ihn nicht wirklich zielführend fanden.
Wer hat denn bitte Angst vor Emanzen? Da bekommt man die typischen Emanzen- & "Political Correctness"-Sprüche vor den Kopf geknallt und man lacht sich kaputt, ansonsten passiert doch nichts. :)
AntwortenLöschenvielleicht lachen Sie sich mal nicht kaputt. sondern hören einfach zu?
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