ANLEITUNG ZUM MÜSSIGGANG
Ich habe „Anleitung zum Müßiggang“ gelesen, und es ist wunderbar. Endlich muss man kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn man morgens oder gar vormittags später als neun Uhr aufsteht; oder wenn man viel zu viel getrunken, und sich in den so angenehmen Zustand des Betrunken-Seins katapultiert hat, und das möglicherweise noch mitten in der Woche.
Autor Tom Hodgkinson gibt in seinem Buch den „untätigen“ Tätigkeiten ihre existenzielle Sinnhaftigkeit zurück, und erhebt sie haushoch über die (im Augenblick leider übermächtigen) Maximen der Nützlichkeit und des Arbeitens-als-Selbstzweck. Blinder Fleiß und Arbeitsamkeit fanden ihren verderblichen Ursprung am Beginn der Industrialisierung und dienen hauptsächlich dem einen Zweck: den Profit einiger weniger zu erhöhen und die Menschen am Denken zu hindern. Denn das ist es eigentlich, was Müßiggang ausmacht: das Kommen zu sich selber, das Flanieren im Geiste und die Entstehung neuer Gedanken. Nur so ist Bewusstseinserweiterung möglich. Hodgkinson hat die einzelnen Kapitel seines Buches mit Tageszeiten betitelt, und jeder Tageszeit eine müßige Tätigkeit zugeordnet, von 8 Uhr morgens – Aufwachen, eine Qual über 3 Uhr nachmittags – das Mittagsschläfchen und 9 Uhr abends – Nichtstun daheim bis zum letzten Kapitel: 7 Uhr morgens – ein Wachtraum. Illustriert und belegt werden seine Thesen durch zahlreiche Zitate aus der Literatur der Faulheit.
Einziger Wermutstropfen: es werden fast hauptsächlich Männer zitiert. Und an einigen Stellen scheint dann doch eine recht „männliche“ Sicht durch, etwa wenn vom „einsamen männlichen (immerhin, das Adjektiv scheint auf) Trinker“ die Rede ist, oder von den Vorzügen bzw. dem romantischen Blick auf die Prostitution früherer Jahrhunderte. Wieviele einsame weibliche Trinker finden sich denn in Bars, bzw. in Hodgkinsons positiver Umbewertung, in welche Bar gehen denn Frauen alleine, so sie einmal abschalten und ein oder zwei Glässchen trinken können; ... und betreff Prostitution: schön und gut, aber weshalb gibt es denn hauptsächlich Angebote für heterosexuelle Männer. Wäre das anders, und wären bestimmte Machtverhältnisse anders, könnte man weiterreden. Aber so?
Dennoch ist dieses Buch absolut lesenswert, für jeden und jede ... und den Frauen, denen ja möglicherweise aufgrund jahrhunderte langer Sozialisation noch schwerer fällt, sich dem Müßigang hinzugeben, sei geraten: den Alltag einfach mal hinzuwerfen (irgendjemand wird sich schon darum kümmern), mal ein bisschen müßig zu sein, und z.B., allen kritischen Anmerkungen zum Trotz, dieses Buch zu lesen.
Tom Hodgkinson „Anleitung zum Müßiggang“ („How to be idle“),
2004, dtsch. Ausgabe: Rogner & Bernhard, Berlin
Autor Tom Hodgkinson gibt in seinem Buch den „untätigen“ Tätigkeiten ihre existenzielle Sinnhaftigkeit zurück, und erhebt sie haushoch über die (im Augenblick leider übermächtigen) Maximen der Nützlichkeit und des Arbeitens-als-Selbstzweck. Blinder Fleiß und Arbeitsamkeit fanden ihren verderblichen Ursprung am Beginn der Industrialisierung und dienen hauptsächlich dem einen Zweck: den Profit einiger weniger zu erhöhen und die Menschen am Denken zu hindern. Denn das ist es eigentlich, was Müßiggang ausmacht: das Kommen zu sich selber, das Flanieren im Geiste und die Entstehung neuer Gedanken. Nur so ist Bewusstseinserweiterung möglich. Hodgkinson hat die einzelnen Kapitel seines Buches mit Tageszeiten betitelt, und jeder Tageszeit eine müßige Tätigkeit zugeordnet, von 8 Uhr morgens – Aufwachen, eine Qual über 3 Uhr nachmittags – das Mittagsschläfchen und 9 Uhr abends – Nichtstun daheim bis zum letzten Kapitel: 7 Uhr morgens – ein Wachtraum. Illustriert und belegt werden seine Thesen durch zahlreiche Zitate aus der Literatur der Faulheit.
Einziger Wermutstropfen: es werden fast hauptsächlich Männer zitiert. Und an einigen Stellen scheint dann doch eine recht „männliche“ Sicht durch, etwa wenn vom „einsamen männlichen (immerhin, das Adjektiv scheint auf) Trinker“ die Rede ist, oder von den Vorzügen bzw. dem romantischen Blick auf die Prostitution früherer Jahrhunderte. Wieviele einsame weibliche Trinker finden sich denn in Bars, bzw. in Hodgkinsons positiver Umbewertung, in welche Bar gehen denn Frauen alleine, so sie einmal abschalten und ein oder zwei Glässchen trinken können; ... und betreff Prostitution: schön und gut, aber weshalb gibt es denn hauptsächlich Angebote für heterosexuelle Männer. Wäre das anders, und wären bestimmte Machtverhältnisse anders, könnte man weiterreden. Aber so?
Dennoch ist dieses Buch absolut lesenswert, für jeden und jede ... und den Frauen, denen ja möglicherweise aufgrund jahrhunderte langer Sozialisation noch schwerer fällt, sich dem Müßigang hinzugeben, sei geraten: den Alltag einfach mal hinzuwerfen (irgendjemand wird sich schon darum kümmern), mal ein bisschen müßig zu sein, und z.B., allen kritischen Anmerkungen zum Trotz, dieses Buch zu lesen.
Tom Hodgkinson „Anleitung zum Müßiggang“ („How to be idle“),
2004, dtsch. Ausgabe: Rogner & Bernhard, Berlin
Hat der Autor wohl ein bei Verena Lettmayers unveröffentlichtem Sachbuch "Nichtstun" geklaut, oder wie soll ich das verstehen?? Dieses Buch ist nämlich längst schon geschrieben aber leider nie veröffentlicht worden :-))
AntwortenLöschen@ karla,
AntwortenLöschendas hast du ganz richtig erkannt ... aber in diesem fall ist das abschreiben legitim ;-)
das mit dem "veröffentlichen": du weißt ja, wie verzettelt diese künstlerInnen sein können ... aber das buch wird kommen. auf welchen wegen auch immer!
Klar darf man der stupide und oftmals sinnlos arbeitenden "Normalbevölkerung" etwas Müssiggang verordnen. Aber KünstlerInnen sollte das kein Vorbild sein. Wer Kunst als Berufung versteht, der muß auch arbeiten wollen. Da kann Müssiggang allenfalls Erholungspause bedeuten.
AntwortenLöschen@anonym
AntwortenLöschenoha, hier werden aber sehr gewagte (weil unbewiesene) behauptungen aufgestellt:
* wer sagt, dass es zwei getrennte sphären, nämlich "normalbevölkerung" und "künstlerInnen" gibt? ist das nicht eine recht "bürgerliche" vorstellung?
* die "normalbevölkerung" arbeitet "stupide und oftmals sinnlos"? ist das so?
* weshalb ist "kunst" eine berufung? ist nicht "bäcker" auch eine berufung? oder vielleicht "schuldirektorin"?
* "Wer Kunst als Berufung versteht, der muß auch arbeiten wollen." was wird hier unter "arbeit" verstanden? mir schwant, hier scheint die deutsch-protestantische arbeits-ethik durch ...
* " 'müßiggang' als erholungspause von der 'arbeit' " ... hm, wieder eine sehr "bürgerliche" sichtweise.
* ortho-tip: bei "müssiggang" und "muß" einfach 'ss' und 'ß' vertauschen, dann stimmts. ... verzeihung, ich konnte es mir nicht verkneifen, auch mal so klugscheißerisch zu sein, wie die jungs, die permanent spiegel-online, zeit-online und ähnliche foren mit ihren kommentaren zubloggen ;-)
* irgendein name statt "anonym" wär' doch viel schöner :-)