KÜNSTLERBASHING TEIL 3


Heute lasse ich mal jemand anders für mich "Künstler-Bashing" betreiben: den Hamburger Künstler Michael Chevalier. In einem Interview mit der TAZ vom 22.10.2010 äußert sich Chevalier kritisch zur politischen Äußerungen diverser Kulturschaffenden wie etwa Isabelle Graw, Daniel Richter oder Dietrich Dietrichsen. "Karl-Marx-Namedropping" sei das, und kaum geeignet, den Kunstbetrieb wirklich kritisch zu hinterfragen; kritische künstlerische Arbeiten würden ohnehin in der Regel vom Kunstbetrieb vereinnahmt. Die einzige Möglichkeit sieht Chevalier darin, sich finanziell unabhängig vom Kunstmarkt zu machen; er selber verdient sein Geld nach eigenen Angaben nicht mit "der Kunst".
Zunächst finde ich das einen nachvollziehbaren Ansatz. Ein "Brotjob" kann eine angenehme Basis bieten; ein wenig Grundsicherheit ist eine feine Sache und höchst entspannend.

Die Voraussetzung ist natürlich, dass die Bedingungen für diesen Job stimmen. Anständig bezahlt müsste er schon sein; das Geld soll ja reichen. Ob das z.B. die Löhne in dem bekannten Künstlerdorf im Nordosten der Republik gewährleisten, kann bezweifelt werden

... Ja, und nicht allzuviel Zeit sollte er einnehmen, der Job, auf keinen Fall mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit. Sonst würde keine Zeit mehr bleiben für die künstlerische Arbeit (Nein! Das geht nicht Nachts! Jedenfalls nicht sehr lange. Und das geht auch nicht so 2 Stündchen nach Feierabend, allen Künstlermythen zum Trotz. Allen, die nun meinen: "wenn man will, geht alles", sei die Mitgliedschaft in dieser Partei mit den Farben Gelb und Blau angeraten).

... Nicht zuletzt: allzu enervierend und anstrengend sollte sie auch nicht sein, diese Geld-Erwerbs-Tätigkeit. Denn man braucht ja nicht nur Zeit (als in Minuten und Stunden abzählbare Menge); man benötigt "Muße". Und Energie. Und die stellt sich nicht so schwupp-di-wupp ein.

Würden also alle diese Bedingungen stimmen, wäre das momentan eine gute Lösung. Fragt sich bloß, wieviele Menschen nach einem herkömmlichen Kunststudium an einen solchen Job kommen (Herr Chevalier verrät uns den seinigen Job im TAZ-Interview leider nicht).

Und möchte man das ganze Konzept als der Weisheit letzter Schluss betrachten, wird's wieder problematisch: es läuft doch letztlich darauf hinaus, dass künstlerische Arbeit "nichts wert" ist, zumindest nicht nach den Gesetzen des Marktes. Und man zeige mir diejenigen, die sich von diesem Wertesystem völlig freimachen können, ohne den leisesten Funken von Frustration zu verspüren ... Außerdem ist es ungerecht. Was den "Markt" allerdings nicht die Bohne interessiert. Aber mich.

Und noch ein Problem: Ist man tatsächlich unabhängig vom Kunstmarkt, wenn man sein Geld nicht mit Kunst verdient? Möglicherweise. Aber gilt das ebenso für den meines Erachtens weiter gefassten Begriff des "Kunstbetriebs"? Künstler*innen, die in renommierten Instituten gezeigt werden, können ja nicht automatisch davon leben, sind also finanziell auch nicht davon abhängig. Die Frage ist also: wenn ich mich gänzlich vom Kunstbetrieb abwende und dementsprechend dort nicht präsent bin, wie bekomme ich dann Öffentlichkeit? WO zeige ich meine künstlerischen Arbeiten, welche Form diese auch immer haben mögen? WIE kann ich teilhaben? WIE werde ich gehört und ernstgenommen? WIE komme ich raus aus meinem Wohnzimmer/Atelier? Reicht FACEBOOK?
Welche Möglichkeiten gibt es, an die wir noch nicht gedacht haben?

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